02.05.2022
GLÜG: Nach der Regulierung ist vor der Regulierung
Der Glücksspielstaatsvertrag 2021 ist noch nicht einmal ein Jahr in Kraft, da wird bereits an dem nächsten, dem 5. Änderungsstaatsvertrag, gearbeitet. Darauf wies Prof. Dr. Julian Krüper, geschäftsführender Direktor des Instituts für Glücksspiel und Gesellschaft (GLÜG), in Bochum hin. Anlass war das Bochumer Gespräch am 28. und 29. April 2022. Unter dem Titel „Die Ordnung des Glücksspiels: Zwischen Selbstbestimmung, Spielerschutz und staatlichem Paternalismus“ schaute das GLÜG auf seiner Jahrestagung auf die Regulierung des Glücksspiels und thematisierte ethische, soziologische, ökonomische und juristische Aspekte der Glücksspielregulierung.
Auf der Podiumsdiskussion „Die Ordnung des Glücksspiel“ diskutierten Prof. Dr. Gerhard Bühringer (TU Dresden), Prof. Dr. Stefan Korte (TU Chemnitz), Dr. Dirk Quermann (Deutscher Online Casinoverband) und PD Dr. Tobias Effertz (Institut für Recht und Wirtschaft, Uni Hamburg), unter der Moderation von Gustav Theile, FAZ.
Moralische Bewertung
Bühringer betonte die kleine Zahl der sogenannten Problemspieler im Gegensatz zu dem weitaus größeren Teil der unproblematisch Spielenden: „Die Mehrheit wird in ihrem Verhalten durch die Maßnahmen des GlüStV zum Spielerschutz zugunsten einer Minderheit eingeschränkt.“ Das Glücksspiel werde moralisch bewertet, einen neutralen Ansatz zu finden, sei schwierig. Der Schutz von Spielern fange erst dort an, wo er sich selbst nicht mehr schützen kann und das betreffe beileibe nicht die meisten Spielenden. Bühringer wies auch darauf hin, dass man bei der Glücksspielregulierung in vielen Bereichen „bar jeder Grundlagenforschung“ sei.
Maßnahmen unterwandern erlaubten Markt
Quermann wies darauf hin, dass der Titel der Veranstaltung, die Ordnung des Glücksspiels zwischen Selbstbestimmung, Spielerschutz und staatlichem Paternalismus, bereits auf die Grundproblematik aufmerksam mache. Die Regulierung des GlüStV 2021 habe nicht das richtige Maß gefunden zwischen diesen drei Aspekten. Maßnahmen zum Spielerschutz seien zur Genüge Teil des Staatsvertrags, wie die Spielersperrdatei, die Limitdatei oder das auf Algorithmen beruhende System zur Früherkennung von problematischem Spiel. Es gebe allerdings weitere Restriktionen im Staatsvertrag, die die Spieler eher „belästigen“ und die Attraktivität des Spiels in Frage stellen. „Dies sind eher Eingriffe in die Grundrechte der Spielenden und bieten vulnerablen Spielern keinerlei Schutz. Der erlaubte Markt wird mit diesen Maßnahmen unterwandert und dadurch unattraktiv.“
Vielen Stakeholdern in der gesamten Diskussion fehle es an direkten Bezügen zum Glücksspiel, „denn wir müssen auch feststellen, dass Glücksspiel für die allermeisten Menschen eine unproblematische Unterhaltungsform ist“. Gegen Ideologen komme die Aufklärung nur schwer an. Die Regulierung neuer Online-Spielformen sei auf Länderebene schwierig, es mache keinen Sinn, das von 16 Bundesländern einzeln regeln zu lassen; virtuelle Spiele wie Roulette würden dann wieder bis zu einzelnen Ländergrenzen reguliert, das Internet ende aber nicht an den Ländergrenzen.
Was wirksam ist, muss auch getan werden
Effertz wies darauf hin, dass man aufhören solle, faule Kompromisse zu machen. „Die Glücksspielsucht soll verhindert werden, hierfür müssen Maßnahmen der Verhältnisprävention angewendet werden und diese Maßnahmen gibt der neue GlüStV noch nicht in ausreichendem Maße her.“ Er führte die Werbung bei Sportwetten an, die sich seiner Meinung nach an junge Menschen richtet und so dem Jugendschutz widerspreche; auch das Limit beim Online-Spiel „würde so nicht funktionieren“, zumal es dagegen bereits einige Klagen gebe. „Wir müssen das machen, was bei der Suchtprävention wirkt und nicht ständig unterlaufen werden kann!“
Regulierung und Vollzug auf Bundesebene
Korte stellte fest, dass der GlüStV schonmal einen Fortschritt darstellt, die „Öffnung der Märkte ist ein sinnvolles Unterfangen“. Einen Aspekt dürfe man nicht vergessen, und das sei der Kanalisierungeffekt: „Wenn wir jetzt zu stark regulieren, dann schaffen wir damit neue Schwarzmärkte.“ Außerdem gehe vor allem die jüngere Generation an das Glücksspiel ganz anders heran: Spaß und Konsumorientierung stünden dort im Vordergrund, das Glücksspiel stehe dort für Freizeit; während Ältere eher Lotto spielten. Er kritisierte die „Salami-Taktik“ der Regulierung seit 2004, die scheibchenweise Öffnung verschiedener Märkte. Er sieht die Regulierung auf Länderebene problematisch, denn der Föderalismus schwäche die Regulierungsdichte. Grundsätzliches durch Gesetze, Einzelheiten über Verordnungen zu regeln, funktioniere deutlich schneller: Weder die Regulierung noch der Vollzug sollten auf Landesebene stattfinden.