Online-Steuer: Beihilfe oder nicht?

Die Entscheidung des Gesetzgebers, virtuelle Automatenspiele und Online-Poker in den Regelungsbereich des Rennwett- und Lotteriegesetzes einzugliedern und auf diese Spielformen eine Spieleinsatzsteuer in Höhe von 5,3 Prozent zu erheben, ist Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Der Deutsche Sportwettenverband (DSWV) und die European Gaming and Betting Association (EGBA) haben bei der Europäischen Kommission eine formelle Beihilfebeschwerde eingereicht. Die Verbände sind der Ansicht, dass die Steuer eine Wettbewerbsbenachteiligung zuungunsten der Online-Anbieter darstelle, da sie nur diese betreffe und sie im Endeffekt ungleich höher belaste als stationäre Anbieter.

Der Stand des Verfahrens und ob es überhaupt Aussichten auf Erfolg hat, waren Inhalte einer Online-Expertendiskussion, die vom Behörden Spiegel am 11. November veranstaltet wurde. Für RA Dr. Clemens Holtmann, Kanzlei Redeker Sellner Dahs, ist durch die neue Einsatzsteuer für Online-Spielformen eine Ungleichbehandlung gegenüber dem stationären Spiel, das nach wie vor einer Umsatzbesteuerung unterliegt, gegeben. Wie Holtmann ausführte, spielt es im Rahmen einer beihilferechtlichen Prüfung aus seiner Sicht keine Rolle, ob das stationäre Spiel – wie im Fall der Spielhallen – zusätzlich zur Umsatzsteuer mit einer kommunalen Vergnügungssteuer belegt wird: „Die Vergnügungssteuer ist aus unserer Sicht keine glücksspielspezifische Steuer. Sie wird nicht deutschlandweit erhoben und mit regional unterschiedlichen Zielsetzungen.“ Vor diesem Hintergrund bilde das einzige „Referenzsystem“, an dem sich die neue Online-Steuer messen lasse, die Umsatzsteuer im stationären Bereich. Holtmann glaubt an den Erfolg der Beihilfebeschwerde: Die EU-Kommission habe die deutschen Behörden bereits zur Stellungnahme aufgefordert.

„Ich sehe in dieser Geschichte wahrlich keine Beihilfe“, widersprach der Rechtswissenschaftler Prof. David Hummel von der Universität Leipzig der Rechtsauffassung Holtmanns. Es bereite ihm „Bauchschmerzen“, die „normale Einzelbeihilfe auf Steuergesetze anzuwenden“. Wie Hummel darlegte, habe man bei der Konzipierung der Beihilfe im EU-Recht anfangs keine Steuergesetze im Blick gehabt, eher Subventionen. Erst durch ein Steuergesetz Gibraltars, das Offshore-Firmen extrem begünstigte, seien Steuergesetze in diesen Kontext gerückt. Wobei sich in den letzten Jahren eine Tendenz des Europäischen Gerichtshofs abgezeichnet habe, in puncto Steuergesetze und Beihilfe wieder „vorsichtiger zu werden“. Darüber hinaus bezweifelt Hummel im Gegensatz zu Holtmann, dass es überhaupt eine steuerliche Ungleichbehandlung zwischen virtuellen und analogen Automaten geben kann. „Online-Spiel und terrestrisches Spiel sind nicht substituierbar und daher nicht vergleichbar“, so Hummel. Es obliege daher dem „Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers“, für beide Bereiche unterschiedliche Steuerregeln zu bestimmen.

Warum die neue Online-Steuer sogar die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags gefährden kann, beleuchtete der Ökonom Prof. Justus Haucap. Zwar seien im Staatsvertrag alle Ziele gleichwertig, aus ökonomischer Perspektive spiele jedoch die Kanalisierung der Spieler in den legalen Markt eine vorrangige Rolle. „Wenn die Kanalisierung nicht gelingt, gelingen die anderen Ziele auch nicht.“ Durch die hohe Steuer müssten die Online-Anbieter ihre Ausschüttungsquoten nach unten anpassen, was dazu führe, dass die „Steuersubjekte wegrennen“. Haucap: „Die Fluchtmöglichkeit der Spieler in den Schwarzmarkt ist eine reale Gefahr.“