Onlinemarkt: Anomalie made in Germany

Das illegale Spiel ist eines der Dauerthemen der Glücksspielbranche. Das schiere Volumen des Schwarzmarktes ist dabei naturgemäß schwer zu bestimmen, die Angaben variieren teils deutlich. Einen sehr genauen Blick auf den Glücksspielmarkt hat man bei H2 Gambling Capital. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben der weltweite Marktführer für die Bereitstellung von Glücksspielmarktdaten und analysiert über 150 Märkte. H2 unterscheidet bei der Betrachtung zwischen dem regulierten Onshore- und dem unregulierten Offshore-Markt, der aus nicht-lizenzierten Anbietern besteht.

76 Prozent unter Erwartungen

Besonders im Vergleich zu anderen europäischen Märkten ist Deutschland eine echte Anomalie. Im Bereich des terrestrischen Spiels weist H2 den Bruttoertrag pro Bürger in Deutschland mit 93 Euro aus. Damit ist er vergleichbar mit anderen Staaten, etwa den Niederlanden mit 95 Euro. Daher sei eigentlich anzunehmen, dass auch die Ausgaben der Deutschen für Online-Glücksspiel in einem vergleichbaren Rahmen liegen, so die Experten. Betrachtet man jedoch die Onshore-Bruttoerträge aus Online-Sportwetten und virtuellem Automatenspiel liegen diese in Deutschland bei 23 Euro. Im Vergleich weisen beispielsweise die Niederlande mit 95 Euro einen deutlich höheren Wert auf. Nach Berechnung von H2 liegen die Ausgaben der Deutschen auf dem Onshore-Markt mehr als 76 Prozent unter vergleichbaren Märkten.

Geringste Kanalisierungsrate

Den Bruttogewinn des legalen deutschen Glücksspielmarktes, exklusive der Lotterien, gibt die GGL für das Jahr 2023 mit 1,6 Milliarden Euro an. Nach den Daten der Behörde liegen die Einnahmen des Schwarzmarkts bei 300 Million Euro, dies entspricht einer Kanalisierungsquote von 84 Prozent. H2 kommt zu einem anderen Ergebnis: Zwar liegt der berechnete Gewinn aus dem legalen Angebot mit 1,7 Milliarden Euro leicht höher, den Schwarzmarkt beziffert H2 jedoch mit 1,1 Milliarden Euro deutlich höher. Somit hat Deutschland mit 61 Prozent „die geringste Kanalisierungsquote aller kommerziell regulierten europäischen Märkte“, wie Josh Hudgson, Chief Operation Officer bei H2, erklärt.

Bis zu 80 Prozent Schwarzmark

Eine unterschiedliche Entwicklung sieht H2 für die Teilbereiche Online-Sportwetten und virtuelles Automatenspiel. Bei den Sportwetten liegt das Volumen des legalen Marktes mit 393 Millionen Euro (2023) über dem Schwarzmarktergebnis (249 Millionen Euro). Während der legale Markt jedoch unter den gegebenen regulatorischen Bedingungen nach der Prognose von H2 stagnieren wird, wächst der Schwarzmarkt kontinuierlich an. So gehen die Experten davon aus, dass der Schwarzmarktanteil im Bereich der Online-Wetten von 38 Prozent in 2023 bis ins Jahr 2029 auf 46 Prozent ansteigt.

Noch dramatischer ist der Trend beim virtuellen Automatenspiel. Hier ist der Schwarzmarkt mit 891 Millionen Euro bereits deutlich größer als der legale Markt (545 Millionen). Dies entspricht bereits heute einem Schwarzmarktanteil von 62 Prozent. Nach der Prognose von H2 wird sich dieser Trend unter der aktuellen Regulierung noch verschärfen. So werde der legale Markt stagnieren, während der illegale Markt ein rapides Wachstum erleben werde. Für das Jahr 2029 prognostiziert H2 einen Schwarzmarktanteil von fast 80 Prozent im Bereich des virtuellen Automatenspiels. Als einen der wesentlichen Gründe für diese Entwicklung sieht H2 die signifikanten Einschränkungen für Spieler in Deutschland. So bewirke unter anderem der festgelegte Spielpreis eine Abwanderung von Spielern in den Schwarzmarkt. Darüber hinaus sorge ein vergleichsweise hoher Steuersatz dafür, dass kein konkurrenzfähiges legales Angebot entstehen kann.

Der Text ist in der März-Ausgabe von games & business erschienen. Sie wollen alle Infos und Hintergründe zum deutschen Glücksspielmarkt erhalten? Hier geht es zum kostenlosen Probe-Abo.

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