„Von der Schotterpiste auf die Autobahn“

Brigitte Sand konnte ihre Verwunderung nur schwer verbergen. Im Rahmen eines Diskussionspanels auf der Gaming in Germany-Konferenz am 25. Oktober erläuterten ihr die deutschen Verbandschefs Mathias Dahms, Präsident des Deutschen Sportwettenverbands (DSWV), und Dr. Dirk Quermann, Präsident des Deutschen Online Casinoverbands (DOCV), dass die Regeln für das neu regulierte Online-Spiel im Wesentlichen von denen im stationären Bereich inspiriert sind. So etwas habe die erfahrene Reguliererin, die 12 Jahre an der Spitze der dänischen Glücksspielbehörde stand, „noch nie gehört“. Ein Urteil darüber wollte sie allerdings – ganz diplomatisch – nicht fällen. In einer späteren Diskussion mit Dr. Jörg Hofmann, Melchers Rechtsanwälte, nannte sie auch den Grund dafür: „Eine Sache habe ich gelernt. Versuche nie, anderen Regulierern Ratschläge zu geben. Als Außenstehender hat man nämlich nicht alle Einblicke.“

Außenstehende sind Dahms und Quermann nicht – und konnten daher auch dem mehrheitlich internationalen Publikum der Veranstaltung eine fundierte Einordnung zum neuen Glücksspielstaatsvertrag geben. Das Positivste sei, dass das Verbot für Online-Glücksspielformen aufgehoben worden sei. Lob fanden die Verbandschefs auch für die neue Glücksspielbehörde und die zentrale, spielformübergreifende Sperrdatei. Allerdings sei „nicht alles Gold, was glänzt“, so Quermann. Besonders kritisch sehen die Verbandschefs die – bereits erwähnte – Übertragung stationärer Regeln auf den Online-Bereich. So spiegele sich etwa die stationäre Differenzierung zwischen Spielhallen und Spielbanken online in jener zwischen virtuellen Automatenspielen und Online-Casino-Spielen (Roulette, Black Jack usw.) wider. Während für erstere ein bundesweites, unbegrenztes Erlaubnissystem eingeführt wird, wird es für letztere nur eine limitierte Anzahl an Lizenzen geben, wobei sich die maximal zu vergebende Anzahl an Lizenzen an den Spielbanken-Standorten in einem Bundesland orientiert.

„Die Idee, Regelungen aus dem stationären Bereich zu übernehmen, treibt zum Teil auch merkwürdige Blüten“, konstatierte Dahms. Dabei bezog er sich etwa auf die terrestrischen Mindestabstände, die ihre Online-Entsprechung in Wartezeiten zwischen unterschiedlichen Spielformen finden. „Beim stationären Spiel muss man zwischen Spielhalle und Wettbüro einen Fußweg zurücklegen, online warten.“ Generell seien viele der Regelungen für den Glücksspielbereich „unverhältnismäßig“, besonders wenn man sie in Relation zu denen anderer potenziell suchterzeugender Produkte wie Alkohol und Tabak setze. Hinzu kommt, dass zahlreiche Spielerschutzmaßnahmen des neuen Staatsvertrags, wie etwa die Limit- und Aktivitätsdateien, keine expliziten Forderungen aus dem Kreis der Spielerschützer waren, wie Prof. Tilman Becker, ehemaliger Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim, auf der Veranstaltung anmerkte. „Die Idee der Zentraldateien kam aus NRW. Sie war wichtig, damit der Staatsvertrag überhaupt zustandekommen konnte. Die Zentraldateien lösen also ein politisches, kein suchtspezifisches Problem.“

Für die Zukunft hoffen die Verbandschefs, dass die Defizite des derzeitigen Glücksspielstaatsvertrags im Rahmen von Änderungsstaatsverträgen behoben werden können. Oder wie Dahms es ausdrückte: „Wir müssen von der Schotterpiste auf die Autobahn finden.“