22.11.2023
Fachtagung Sportwetten & Glücksspiel: Ernüchternde Rechtsprechung
„Die spielhallenrechtlichen Beschränkungen werden von den Gerichten auch nach Inkrafttreten des neuen Glücksspielsstaatsvertrags einhellig gebilligt.“ Eine mehr als ernüchternde Erkenntnis für die Automatenbranche. Hatte diese doch im Zuge der Legalisierung des Online-Spiels die Hoffnung, eine „Inkohärenz“ zwischen der eigenen Regulierung und der für das Online-Spiel rechtlich geltend zu machen, um so letztlich ungeliebte Regeln wie etwa das Mindestabstandsgebot ins Wanken zu bringen. „Mit Blick auf das Kohärenzgebot sehen die Gerichte kein Problem. Die Mindestabstände und das Verbundverbot bleiben unbeanstandet“, erklärte Dr. Felix B. Hüsken (l.), Richter am Verwaltungsgericht Düsseldorf, bei seinem traditionellen Parforceritt durch die glücksspielbezogene Rechtsprechung der jüngsten Vergangenheit auf der juristischen Fachtagung Sportwetten & Glücksspiel. Die Veranstaltung wird vom Heidelberger Forum-Institut organisiert. Zur 18. Ausgabe kamen am 21. November zahlreiche Glücksspielexperten in Köln zusammen.
Wettbüros im Fokus
Betrachtet man die Rechtsprechung zum terrestrischen Glücksspiel, liegt der Fokus derzeit allerdings nicht auf den Spielhallen, wie Hüsken weiter ausführte. „Der Schwerpunkt verlagert sich vom Recht der Spielhallen zum Recht der Wettvermittlungsstellen.“ Hintergrund ist hier, dass nach der Lizenzvergabe an die Wettveranstalter nun auch alle Wettvermittlungsstellen lizenziert werden müssen. Im Großen und Ganzen würden für den Sportwettenbereich momentan „die gleichen Rechtsfragen“ behandelt wie seinerzeit für den Spielhallenbereich. Vor diesem Hintergrund erwartet Hüsken auch nicht, „dass sich hier mehr tut als im Bereich der Spielhallen“. Im Klartext: Die terrestrische Sportwettenbranche muss sich auf eine ähnlich ernüchternde Rechtsprechung gefasst machen, glaubt Hüsken.
„Spielerfreundliche Rechtsprechung“
Die Rechtsprechung zum Online-Spiel beleuchtete auf der Fachtagung Prof. Jan-Philipp Rock (M.), Richter am Landgericht Hamburg. Sein Hauptfokus lag dabei auf den Rückzahlungsansprüchen von deutschen Spielern gegenüber Online-Glücksspielanbietern. Begründet werden diese Ansprüche mit Verweis auf die Nichtigkeit des Spielvertrags zwischen Spielern und Anbietern, da Online-Glücksspiel vor dem Inkrafttreten des neuen Staatsvertrags außer in Schleswig-Holstein nicht erlaubt war. „In Deutschland ist die Rechtsprechung sehr spielerfreundlich“, konstatierte Rock mit Blick auf die vorliegenden Urteile. „Anderslautende Entscheidungen zugunsten der Anbieter hören im Jahr 2022 auf.“ Rock geht davon aus, dass die „Klagen ihren Höhepunkt erreicht haben“. Auf die ausstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu diesem Thema dürfe man „gespannt“ sein.
„Stoppschild“ für maltesische Gerichte
Da zahlreiche beklagte Glücksspielanbieter ihren Sitz auf Malta haben, hat die dortige Regierung unlängst eine Gesetzesänderung beschlossen, die die heimische Glücksspielindustrie vor Klagen aus dem Ausland schützen soll. Das Gesetz mit dem Namen „Bill 55“ wird kontrovers diskutiert und ist momentan Gegenstand zahlreicher Prüfungen auf Unionsrechtskonformität, unter anderem durch den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages und die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL). Im Kern betrifft „Bill 55“ den Vollzug: Maltesische Gerichte sollen Urteile aus dem Ausland gegen Firmen und deren Leitung nicht mehr vollstrecken, wenn diese eine maltesische Glücksspiellizenz besitzen und die örtlichen Regularien befolgen. „Damit hat Malta bei seinen Gerichten ein generelles Stoppschild eingeführt. Die Gerichte müssen den Vollzug verweigern“, erläuterte Prof. Johannes Dietlein (r.) vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in seinem Vortrag zu „Bill 55“. Der Rechtswissenschaftler hat „große Zweifel“ daran, dass das Vorgehen Maltas aus unionsrechtlicher Sicht haltbar ist. Er sieht insbesondere Verstöße gegen die Verordnung 1215/2012 der Europäischen Union, die die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen regelt, und gegen den Grundsatz der Unionstreue.
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