Stefan Dreizehnter

Praktisches Lehrstück

Eine bemerkenswerte Begegnung hatte Automatenunternehmer und games & business-Leser Oskar Adam mit zwei Dokumenten, die ziemlich viel darüber sagen, was das Verhältnis der Politik zum Münzspiel bestimmt. 

Das ist zum einen die Information über die Apparatessteuer in Wiesbaden, nach der unter anderem die Steuer für Geräte, die vor über 30 Jahren als „Killerspiele” in die Annalen der öffentlichen Debatten eingegangen sind, auf 1.000 Euro „je angefangenen Kalendermonat und Gerät” ausgewiesen wird. „Killerspiele” in Automaten gibt es seit Jahrzehnten nicht mehr. Aber das stört den unnachgiebigen deutschen Steuerstaat nicht. Er versucht sogar, Phantomgeräte zu besteuern. 

Spiele der eher rustikalen Art gibt es aber sehr wohl noch. In einem Zeitungsbericht über die aktuelle Computerspielmesse gamescom, der Oskar Adam in seiner Tageszeitung zeitgleich über den Weg gelaufen ist, fand sich folgende Beschreibung: „Viele Spiele, die bei der gamescom ausgestellt werden, sind brutal. Es spritzt Blut und ein Gegner nach dem Nächsten muss erschlagen oder erstochen werden. Ein großer Teil der Besucher hat offenbar Gefallen an solchen Games.” 

„Moment mal”, ist hier der erste Impuls. Ist das nicht die gleiche Branche, deren Entwicklungsunternehmen von der Bundesregierung mit 125 Millionen gefördert werden sollen? Und für vergleichbare Spiele in Automaten – die es nicht mehr gibt – schlummern massive Strafsteuern in den Tiefen kommunaler Satzungen? Das kann doch wohl nicht sein! 

Ehe nun die Proteste kommen: Für diese Spiele auf der gamescom gilt die Altersbeschränkung „ab 18 Jahre”. Aber zur Erinnerung: Diese Beschränkung galt für die aus heutiger Sicht völlig naiven „Killerspiele” in Automaten auch. Und sie verschwanden zusätzlich hinter den jugendschützenden Mauern der Spielhallen. 

Weder dort noch anderswo will sie einer zurück, wie auch unser Leser Oskar Adam sagt. Künstliche Aufregung über etwas, das völlig irrelevant ist, kann man sich sparen. Außerdem war nicht positiv, dass die in den 80er- und 90er-Jahren oft hysterische Debatte über Videospiele generell einen dunklen und undifferenzierten Schatten über ein Genre legte, das damals wie heute natürlich sehr viel mehr Facetten hatte und hat, als den Baller-Charakter. Eine sehr lebhafte, junge und technisch aufregende Unterhaltungskultur wurde komplett aus dem öffentlichen Raum verbannt – was übrigens ein sehr deutsches Phänomen ist. Anderswo gab es das nicht. 

Die Politik sollte sich dieses sehr praktische Lehrstück ansehen. Dass das jetzt förderungswürdige Videospiel in Deutschland überlebt hat, ist kein Verdienst der deutschen Politik, sondern einer innovativen Branche. Es ist ein Gewinn – technologisch, wirtschaftlich und kulturell. Wäre es nach der deutschen Politik gegangen, gäbe es die Spiele nicht mehr. 

Diese Gefahr droht jetzt auch dem legalen Geldspiel in Deutschland. Erdrückende Regeln machen es zunehmend irrelevant. Wer hier in die Lücke stößt, ist aber nicht innovativ, sondern schlicht illegal. Das ist alles andere als ein Gewinn – weder für den Spielerschutz, noch für den Jugendschutz und auch nicht für Steuern und Arbeitsplätze in Deutschland. 

Ist es Zufall, dass Unterhaltung mit Münzeinwurf existenzbedrohend in die Mühlen der deutschen Politik gerät? Oder geht es hier gar nicht nur um Jugend- oder Spielerschutz, sondern auch um ein unberechtigtes kulturelles Vorurteil, das korrigiert werden sollte? Darüber nachzudenken, gibt es Anlass. 

Damit aber kein falscher Eindruck entsteht: Die deutsche Automatenwirtschaft will keine Subventionen. Es reicht schon eine faire Chance zur Innovation, um gegen das illegale Spiel zu bestehen. 

Stefan Dreizehnter

Chefredakteur games & business
dreizehnter@gamesundbusiness.de