Gastgewerbe: Dahin wechselte das Personal

Das Gastgewerbe hat während der Corona-Pandemie überdurchschnittlich viele Beschäftigte an andere Branchen verloren, wie aus einer neuen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hervorgeht. Allein im Jahr 2020 hätten bundesweit 216.000 Beschäftigte der Gastronomie und Hotellerie den Rücken gekehrt, heißt es in der Untersuchung des Instituts, die sich auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit beruft. Zum Vergleich: Im Jahresdurchschnitt waren in der Branche rund 788.600 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Kein anderer Berufsbereich hat der Studie zufolge so viele Beschäftigte verloren.

Andersherum seien lediglich 116.770 Wechsel von außerhalb dieser Berufe in die Branche hinein verzeichnet worden. „Dadurch ergibt sich ein sogenannter Saldo von fast 100.000 Beschäftigten zwischen denen, die den Beruf verlassen und denen, die diesen neu aufgenommen haben. Dieser Saldo in den Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen ist im Vergleich der insgesamt 37 Berufsbereiche mit Abstand am höchsten“, heißt es von den Autorinnen der Studie, Anika Jansen und Paula Risius.

Arbeitskräfte aus dem Gastgewerbe hat die Corona-Krise danach vor allem in den Einzelhandel getrieben. Fast 35.000 von ihnen hätten im Verkauf einen neuen Job gefunden, etwa als KassiererInnen. Das sei in vielen Fällen als vorübergehende Lösung gedacht gewesen, habe sich aber häufig als Dauervariante etabliert – womöglich unter anderem wegen familienfreundlicherer Arbeitszeiten, schreibt die Deutsche Presse-Agentur (dpa) zu den Zahlen des IW. Discounter wie Aldi und Lidl befeuerten den Trend mit lukrativen Angeboten zusätzlich, unter anderem mit Einstiegslöhnen von mindestens 14 Euro.

Weggang nicht nur bei Minijobbenden

Rund 27.000 Menschen wechselten laut Studie zudem von der Gastronomie in das Verkehrs- und Logistikgewerbe, etwa als LagerlogistikerInnen oder FahrerInnen für Paketdienste. Etwa gleich viele in den Bereich Unternehmensführung, zum Beispiel als SekretärInnen. Weitere beliebte Ziele: die Lebensmittelherstellung, Reinigungsberufe und Erziehung.

Der Studie zufolge sind es aber nicht nur Minijobber, die die Gastronomie verließen. Unter den Abgängen seien von Juni 2020 bis Juni 2021 auch knapp 60.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gewesen. Ein Rückgang um 10,3 Prozent. Wie stark sich das bemerkbar macht, führt Thomas Geppert, Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Bayern, gegenüber der dpa aus. Ihm zufolge müssen selbst Vorzeigebetriebe inzwischen schließen oder zusätzliche Ruhetage einlegen. Hotels könnten aus Personalmangel ihre Zimmer nicht mehr voll auslasten. Die Gastronomie brauche sechsmal mehr Personal als etwa der Einzelhandel, um denselben Umsatz zu erzielen, rechnet Geppert vor. Dass eine solche personalintensive Branche in der Pandemie besonders leide, sei nicht verwunderlich. Zumal die vielen Minijobber während der Lockdowns nicht von der Kurzarbeit aufgefangen worden und so gezwungen gewesen seien, sich etwas Neues zu suchen.

Branche muss selbst viel tun

Die Branche müsse selbst noch viel tun, um ihr Personal zu binden, so Geppert. Dessen sei sie sich auch bewusst. „Wir brauchen flexiblere Arbeitszeitmodelle“, zitiert ihn die dpa. Aber auch Politik und Verwaltung könnten helfen. Etwa mit leichteren Visa-Zugängen für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten. Zudem sehe ein neuer Tarifabschluss „dramatische Lohnsteigerungen“ vor. Wohl auch, weil der Trinkgeld-Anteil am Verdienst unter anderem wegen zunehmender Kartenzahlung schwinde.

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