
02.09.2025
„Keine Frage des Wollens“: Dehoga zur Lage des Gastgewerbes
„Die Kosten explodieren, die Gäste sind preissensibler, die Umsätze sinken. Die aktuellen Belastungen bringen viele Betriebe an ihre Grenzen.“ Das resümierte Präsident Guido Zöllick auf der Bilanzpressekonferenz des Dehoga Bundesverbands in Berlin am 2. September. Nach aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes setzten die Hoteliers und Gastronomen nach vorläufigen Ergebnissen im ersten Halbjahr 2025 real 15,1 Prozent weniger um als im Jahr 2019, dem letzten Jahr vor der Coronakrise (nominal +10,9 Prozent, Originalwerte). Dem Hotel- und Gaststättengewerbe drohe das sechste Verlustjahr in Folge. Vor diesem Hintergrund forderte Zöllick ein entschlossenes Handeln der Politik für starke Betriebe, sichere Jobs und echte Perspektiven sowie Steuerfairness.
7 Prozent Mehrwertsteuer „überlebenswichtig“
Laut jüngster Umfrage des Verband ist die Lage im Gastgewerbe durch Umsatzeinbußen und Kostensteigerungen weiter angespannt. Im Juli 2025 meldeten die Betriebe im Schnitt Umsatzverluste von 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr, im Zeitraum Januar bis Juli 2025 lag das Minus bei 8,9 Prozent. Allen voran fordert der Dehoga die schnellstmögliche gesetzliche Verankerung der 7-Prozent-Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie. Diese sei überlebenswichtig, heißt es. Spätestens zum 1. Januar 2026 müsse die Entlastung in Kraft treten. „Unsere Branche braucht jetzt Planungssicherheit“, insistierte Zöllick. Die einheitliche Besteuerung von Essen mit sieben Prozent bedeute die längst überfällige Stärkung der Betriebe im harten Wettbewerb mit Lieferdiensten, Essen To Go und Fertiggerichten aus dem Handel, die seit jeher 7 Prozent haben. Es gehe um Steuerfairness und Gleichbehandlung. „Wir setzen darauf, dass Bundestag und Bundesrat die einheitlich 7 Prozent Mehrwertsteuer zeitnah beschließen.“
Eine Frage des Könnens
Der aktuellen Dehoga-Umfrage zufolge, an der knapp 4.000 Gastgeber aus ganz Deutschland teilnahmen, befürchten fast 40 Prozent der Unternehmer in die Verlustzone zu geraten. Mit 7 Prozent Mehrwertsteuer hingegen erwarteten 76,2 Prozent der Betriebe eine Stabilisierung ihrer wirtschaftlichen Situation. Sechs von zehn Betrieben (59,1 Prozent) sehen die Möglichkeit, Arbeitsplätze zu sichern und neue Stellen zu schaffen. Fast ebenso viele Gastronomen (58,6 Prozent) würden wieder verstärkt in Modernisierung, Digitalisierung und Kapazitätserweiterung investieren. Mehr als die Hälfte (52,6 Prozent) verbinde die 7 Prozent mit neuen Handlungsspielräumen für Innovationen. 44,1 Prozent der Gastronomen wollen ihren Gästen ein verbessertes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.
„Preissenkungen sind keine Frage des Wollens, sondern des Könnens“, so Zöllick. Personalkosten lägen in vielen klassischen Restaurants bei über 40 Prozent, der Wareneinsatz bei über 30 Prozent. Hinzu kämen die Kosten für Energie, Versicherungen und Gebühren. Die Arbeitskosten sind laut Verband seit 2022 um 34,4 Prozent gestiegen (4. Quartal 2024 gegenüber Januar 2022), die Lebensmittelpreise um 27,1 Prozent, alkoholfreie Getränke um 33,7 Prozent, alkoholische Getränke um 17,9 Prozent und Energie um 27,6 Prozent (jeweils Juli 2025 gegenüber Januar 2022). Zusätzlich werde der Mindestlohn zum 1. Januar 2026 um 8,4 Prozent angehoben. Zöllick: „Soweit Spielräume vorhanden sind, werden unsere Gastronominnen und Gastronomen diese für attraktive Angebote und Investitionen in ihre Betriebe nutzen.“
Forderung nach Reformoffensive
Die Gastronomie sei zentraler Auftraggeber für das regionale Handwerk, für Produzenten und Dienstleister, betonte der Dehoga und macht auf die wirtschaftlichen Effekte der 7 Prozent weit über die Branche hinaus aufmerksam. Aktuell beobachtet der Bundesverband ein klares Trading down aufgrund von Konsumzurückhaltung und Preissensibilität und führt ein weiteres Alarmsignal an: Fast drei Viertel (72,1 Prozent) der gastgewerblichen Unternehmer hätten in den vergangenen Jahren keine notwendige Investitionen mehr tätigen können.
Deshalb brauche es für den Wirtschafts- und Tourismusstandort Deutschland „eine echte Reformoffensive“ mit Bürokratieabbau, flexiblen Arbeitszeiten, spürbaren Entlastungen für mittelständische Betriebe und Investitionsanreize. Über 2,2 Millionen Beschäftigte, mehr als 50.700 Auszubildende und ein Umsatz von 115 Milliarden Euro netto im Jahr 2023 machten die Branche zu einer tragenden Säule der deutschen Wirtschaft, unterstrich Zöllick. 99 Prozent der Unternehmen seien kleine und mittlere Familienbetriebe, die Arbeitsplätze sicherten, Steuern vor Ort zahlten und für Lebensqualität und kulinarische Vielfalt stünden. Hier gibt es alle Zahlen, Daten und Fakten zur Zwischenbilanz 2025 des Dehoga-Bundesverbands im Überblick.
Bild: © Dehoga Bundesverband/Svea Pietschmann