23.09.2022
Spielhallenschließungen: Gegenwehr in Mecklenburg-Vorpommern
Angesichts der drohenden Schließung von nahezu jeder zweiten Spielhalle in Mecklenburg-Vorpommern regt sich parlamentarische Gegenwehr gegen die im Jahr 2021 mit der Änderung des Landesglücksspielgesetzes beschlossenen verschärften Standortregeln. Das meldet die Schweriner Volkszeitung (SVZ). Danach sollen auf Drängen der FDP im Innenausschuss nochmals Chancen für einen Kompromiss für kürzere Abstände zwischen Spielhallen und Schulen ausgelotet werden. FDP-Landtagsfraktionschef René Domke zufolge soll am 22. September ein Antrag für eine erneute Expertenanhörung eingebracht werden, schreibt die SVZ.
Mit der bisherigen Regelung sei zu befürchten, dass sich das Glücksspiel ins Internet oder in die Illegalität verlagere, begründet Domke danach den erneuten Vorstoß. Weil die Nachfrage aber bestehen bleibe, befürworte er ein kontrolliertes, reguliertes Spiel, bevor das Glücksspiel in der Illegalität erfolge. Marktbeobachtungen zufolge seien in Hagenow, Rostock, Schwerin oder Neubrandenburg in den vergangenen Monaten in Imbissen, Shisha-Bars oder Dönerläden immer mehr illegale Spielautomaten entdeckt worden, heißt es in der SVZ.
Aktuelle Regelung ist Fall für den Prüfstand
Unterstützung dafür kommt nach Informationen der SVZ auch von der Regierungspartei die Linke. „Die jetzige Regelung sollte dringend erneut auf den Prüfstand“, zitiert die Zeitung Michael Noetzel, den Innenexperten der Linken-Landtagsfraktion. Die 500-Meter-Abstandsregel sei ohne Härtefallregelung in Zeiten von Online-Glücksspiel nicht mehr angemessen und gehe an der Realität vorbei, heißt es weiter. Die Hauptgefahrenquelle für Kinder und Jugendliche in Bezug auf Suchtverhalten sind Online-Games und nicht Spielhallen“, so Noetzel gegenüber der SVZ. „Bisher gefährdet der Glücksspielstaatsvertrag in seiner jetzigen Form lediglich Existenzen und verhindert kommunale Einnahmen.“
Gerichtsverfahren sollen abgewartet werden
Dennoch ist der „vorerst letzte Versuch zur Rettung der durch verschärfte Abstandsregelungen vor der Schließung stehenden zahlreichen Spielhallen in Mecklenburg-Vorpommern“, wie die SVZ schreibt, mittlerweile gescheitert. Der Innenausschuss des Landtags hat am 22. September eine erneute Expertenanhörung abgelehnt. Laut Innenausschuss-Chef Ralf Mucha (SPD) könne nur ein Jahr nach der Änderung des Glücksspielgesetzes noch keine Bewertung erfolgen. Auch wenn zahlreiche Spielhallen mit einer Vielzahl von Arbeitsplätzen betroffen seien.
Mucha verwies laut SVZ darauf, dass beim Oberverwaltungsgericht zahlreiche Verfahren gegen die Regelung anhängig seien. Diese müssten vor möglichen Änderungen abgewartet werden. Nach diesen Entscheidungen sei damit zu rechnen, dass sich der Ausschuss erneut mit der Spielhallenregelung befassen werde. Es sei „alles offen“, zitiert die Zeitung Mucha. Möglich seien Bestandsschutzzusagen oder Sonderregelungen.
Zahlreiche Klagen eingereicht
Laut SVZ sind bislang noch 190 Spielhallen in Mecklenburg-Vorpommern zugelassen und deren Betreiber hätten nahezu alle Klagen gegen die Landesregelung eingereicht – unter anderem wegen Eingriffs ins Recht auf Gewerbefreiheit. Derzeit seien im 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts 35 Berufungs- und Berufungszulassungsverfahren und sechs Eilverfahren anhängig.
Währenddessen hätten die Betreiber erste Spielhallen schließen müssen. Dabei habe etwa die Stadt Schwerin gegenüber der SVZ geäußert, dass es in der Vergangenheit „mit den Spielhallenbetreibern keine größeren Probleme, auch nicht in Bezug auf die Einhaltung des Jugendschutzes“ gegeben habe. Für das Land sei der Jugendschutz aber einer der Hauptgründe für die Verschärfung der Abstandsregeln gewesen. Nach der derzeitigen Regelung bleiben laut SVZ in Schwerin nur vier von 17, in Rostock zwei von derzeit 24 betriebenen Spielhallen mit jeweils zwölf Automaten übrig.
Bislang erfolglose Kompromisssuche
Zum Schutz der Jugend und vor Spielsucht war mit den Stimmen der rot-schwarzen Koalition in Mecklenburg-Vorpommern vor mehr als zehn Jahren beschlossen worden, Spielhallen künftig nur noch in einem Abstand von 500 Metern zu Schulen zuzulassen. Eine Übergangsregelung war Mitte 2021 ausgelaufen und eine Kompromisssuche vor der Änderung des Glücksspielstaatsvertrages in MV gescheitert. Die Petition für ein faires Glücksspiel, die eine der erfolgreichsten der letzten Jahre in MV war, wurde im Landtag nicht weiter beraten.
Die damalige oppositionelle Linke, aber auch der Städte- und Gemeindetag und die Wirtschaftskammern hatten 2021 bereits auf eine 300-Meter-Abstandsregelung gedrungen. Schätzungen der Branche zufolge bringt das Automatenspiel bis zu 30 Millionen Euro an Steuern in die kommunalen Kassen. Aktuell droht der Verlust von mehr als 100 Spielhallenstandorten mit mehr als 500 Beschäftigten.